Falsches Feindbild Bauer
erschienen in FOCUS Magazin | Nr. 17 (2014) | von FOCUS-Redakteur Michael Miersch
Umweltverbände und Grüne verdammen die Landwirtschaft. Doch wie nachhaltig wäre der Nahrungsanbau ohne moderne Agrartechnik?
Stechender Blick, knallrotes Gesicht und ein Kragen aus braunen Federn: Solch einen Charakterkopf sieht man selten auf Wahlplakaten. Die Grünen werben im Europawahlkampf mit einem Hahn. Slogan: Artgerecht statt ungerecht! Schon im vergangenen Bundestagswahlkampf rückte die Partei das Thema Landwirtschaft in den Mittelpunkt. Bei den großen Öko-Verbänden steht es ebenfalls ganz oben auf der Agenda. „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ fordert der BUND, und Greenpeace verlangt die „Abkehr von der industriellen Landwirtschaft“. Seit 2011 demonstrieren in Berlin jeden Januar Tausende unter dem Motto „Wir haben es satt!“ gegen die Agrarindustrie und für die Rückkehr zum guten alten Bauernhof. Die Teilnehmerzahl wächst, 2014 waren es 30.000.
Landwirtschaft ist das neue Feindbild. Seit Jahrzehnten eilt die grüne Bewegung von Erfolg zu Erfolg. Der Ausstieg aus der Kernkraft und die Energiewende sind beschlossen. Pflanzengentechnik findet auf deutschem Boden nicht statt. Von der Lampe bis zum Duschkopf wird ohne Öko-Segen nichts mehr produziert. Doch die Siege bereiten Umweltverbänden und Grünen ein unerwartetes Problem. Sie haben immer davon gelebt, dass es Bösewichter gab, die sie anprangern können. Finste-re Widersacher gehören zur Selbstinszenierung als Retter des Planeten. Mit jeder weiteren Branche, die aufgibt, werden solche Feindbilder knapper. Welche Kampagne hätte noch das Potenzial, Mehrheiten zu gewinnen, so wie einst der Kampf gegen Atomkraft? Mit der Ernährungswirtschaft könnte es funktionieren, denn deren Ruf ist ohnehin angeschlagen. Und an den Methoden der Stalltierhaltung und Schlachtung gibt es viel berechtigte Kritik.
Den Verbänden an der Spitze der Anti-Agrar-Bewegung geht es jedoch nicht darum, etwas zu verbessern. Sie stellen die modernen Landwirte unter den Generalverdacht, Giftmischer und Tierquäler zu sein. Als Alternative preisen sie kleine Biohöfe in Familienhand an. Doch wer möchte auf solchen Zwergbetrieben arbeiten? Mehr als zwei Drittel der selbstständigen Landwirte in Deutschland sind nicht mehr die Jüngsten. Den meisten davon fehlt ein Nachfolger. Es ist abzusehen, dass der Strukturwandel hin zur arbeitsteiligen, technisierten Landwirtschaft voranschreiten wird.
Anstatt Illusionen über Bauernhofidyllen zu verbreiten, wäre es klüger, sich mehr Gedanken darüber zu machen, wie Großbetriebe ökologischer und tierfreundlicher wirtschaften können. Leider helfen die Regularien der Bioverbände dabei nicht weiter. Denn wer sie anwendet, erntet erheblich weniger – was nur durch Erweitern der Anbaufläche kompensiert werden kann.
Intelligente Züchtung, Kunstdünger und Pflanzenschutz haben den Ertrag pro Hektar in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdreifacht. Trotz Bevölkerungswachstums musste deshalb die globale Ackerfläche kaum ausgedehnt werden. Mit den ineffizienten Biomethoden hätten die Bauern über eine Milliarde Hektar Fläche zusätzlich benötigt. Seltsam, dass eine Anbauform ökologisch genannt wird, für die man mehr Natur opfern muss.
Obendrein ist es der Öko-Lobby gelungen, konventionell erzeugte Lebensmittel als ungesünder hinzustellen. Dabei waren Biosprossen 2011 die Ursache für die schlimmste Lebensmittelverseuchung in der Geschichte der Bundesrepublik. 53 Menschen starben, bei Hunderten versagten die Nieren.
Die Zukunft liegt weder in Kleinstrukturen noch in den star-ren Geboten der Bioverbände. Viel wahrscheinlicher ist, dass die stetige Weiterentwicklung der modernen Landwirtschaft neue, überraschende Lösungen hervorbringen wird – wie so oft in der Vergangenheit. Wer tierfreundliche und ökologische Produktionsformen möchte, sollte Bauern darin unterstützen und sie nicht zum Feind erklären.
Agrarkultur im Blick Michael Miersch, 58, ist Ressortleiter Wissen bei FOCUS. Der Sohn eines Landwirts schrieb das Buch „Biokost und Ökokult“, in dem er gemeinsam mit Co- Autor Dirk Maxeiner der Frage nachgeht, ob Biolandbau besser für die Umwelt ist.